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Polymerkristall leitet Strom wie Metall

Schematische Darstellung des Verfahrens zur Synthese des leitenden 2-D-Polymers «2DPANI» auf der Wasseroberfläche. (Bild: Peng Zhang)

Eine internationale Forschungsgruppe hat ein zweidimensionales leitendes Polymer entwickelt – eine spezielle, geordnete Form von Polyanilin, die eine aussergewöhnliche elektrische Leitfähigkeit und ein metallisches Ladungstransportverhalten aufweist. Die Entdeckung ist ein grundlegender Durchbruch in der Polymerforschung, sie eröffnet neue Möglichkeiten für die Entwicklung leistungsfähigerer organischer Elektronik.

Leitende Polymere wie Polyanilin, Polythiophen und Polypyrrol sind für ihre hervorragende elektrische Leitfähigkeit bekannt und haben sich als vielversprechende kostengünstige, leichte und flexible Alternativen zu herkömmlichen Halbleitern und Metallen erwiesen. Die Bedeutung dieser Materialien wurde im Jahr 2000 durch die Verleihung des Nobelpreises für Chemie an Alan J. Heeger, Alan G. MacDiarmid und Hideki Shirakawa für ihre Entdeckung und Entwicklung leitfähiger Polymere unterstrichen. Diese Anerkennung würdigt das transformative Potenzial von Polymeren in der modernen Wissenschaft und Technologie. Trotz bedeutender Fortschritte leiten diese Materialien Elektronen hauptsächlich entlang ihrer Polymerketten. Die Leitfähigkeit zwischen den Polymersträngen oder -schichten bleibt jedoch begrenzt, da die Moleküle nicht gut miteinander verbunden und die elektronischen Wechselwirkungen schwach sind.

Leitfähigkeit in Ebenen und über Schichten hinweg

Um dieses Problem zu lösen, hat eine Forschungsgruppe der Technischen Universität Dresden und des Max-Planck-Instituts für Mikrostrukturphysik Halle in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern einen mehrschichtigen zweidimensionalen Polyanilin-Kristall – «2DPANI» – synthetisiert und charakterisiert. «Dieses Material weist eine aussergewöhnliche Leitfähigkeit auf – nicht nur innerhalb seiner Ebenen, sondern auch senkrecht über die Schichten hinweg. Das nennen wir einen metallischen ‹Out-of-Plane›-Ladungstransport oder auch 3-D-Leitung. Das ist ein grundlegender Durchbruch in der Polymerforschung», erklärt Thomas Heine, Professor für Theoretische Chemie an der TU Dresden. Gemeinsam mit seinem Team an der TU Dresden und dem Center for Advanced Systems Understanding (CASUS) in Görlitz hat er die Struktur des Polymers zunächst simuliert und den metallischen Charakter berechnet.

Xinliang Feng und sein Team am Center for Advancing Electronics Dresden (cfaed) der TU Dresden und am Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik in Halle synthetisierten das neue Polymer und führten Gleichstromtransportstudien durch. Diese Messungen zeigen eine anisotrope Leitfähigkeit mit 16 Siemens pro Zentimeter in der Ebene und 7 Siemens pro Zentimeter ausserhalb der Ebene – etwa drei Grössenordnungen höher als bei herkömmlichen linear leitenden Polymeren. Darüber hinaus zeigen Messungen bei niedrigen Temperaturen, dass die Leitfähigkeit ausserhalb der Ebene mit abnehmender Temperatur zunimmt – ein charakteristisches Verhalten von Metallen – was die aussergewöhnlichen metallischen elektrischen Out-of-Plane-Transporteigenschaften des Materials bestätigt.

Weitere Messungen wurden am Forschungszentrum für Nanowissenschaften CIC nanoGUNE der Universität San Sebastián (Spanien) mittels Infrarot- und Terahertz-Nahfeldmikroskopie durchgeführt. Diese ergaben eine Gleichstromleitfähigkeit von etwa 200 Siemens pro Zentimeter.

Dieser Durchbruch eröffnet die Möglichkeit, dreidimensionale metallische Leitfähigkeit in metallfreien organischen und polymeren Materialien zu erreichen. Damit bieten sich aufregende neue Perspektiven für Anwendungen in der Elektronik, der elektromagnetischen Abschirmung oder der Sensorik. Das metallische Polymer könnte als funktionelle Elektrode in der Elektro- und Photoelektrochemie dienen, zum Beispiel zur Produktion von Wasserstoff. Die Studie erschien in der Fachzeitschrift Nature.

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